Wie du in eskalierenden Situationen ruhig bleibst und souverän reagierst - 11 Grundzutaten
Wer mit Menschen arbeitet, kennt angespannte Situationen, die zu eskalieren drohen.
Ob in der Jugendhilfe, als Sozialarbeiter*in oder bei der Arbeit mit Kindern,
gibt es immer wieder Konflikte, die aus dem Ruder zu laufen drohen.
Das erfährst du im Artikel:
Wie gehe ich professionell mit Konflikten um?
Eines kann ich schon von Anfang an sagen: das eine Grundrezept der Deeskalation, das auf alle Situationen anwendbar ist, gibt es nicht.
Keine Situation ist wie die andere. Was in der einen Situation mit der einen Person funktioniert, kann mit einer anderen Person völlig schief gehen.
Deshalb werde ich eine Auswahl an Grundregeln der Deeskalation vorstellen, aus der du für jede Situation passend auswählen kannst.
Doch fangen wir mit der Person an, die du am besten kennst. Das ist zudem die einzige Person, die du wirklich beeinflussen kannst: das bist du selbst.
In Seminare erlebe ich es immer wieder, dass der Wunsch aufkommt: "gib mir bitte eine Technik, damit die andere Person aufhört und damit die Situation beendet ist". Ich kann aus eigener Erfahrung nach vielen Jahren in der Jugendhilfe sagen:
Als ich folgende Dinge gelernt habe, waren eskalierende Situatione weniger und ich hatte sie im Griff
ich habe gelernt selbst ruhig zu bleiben
ich habe mich nicht provozieren lassen (nein, auch dann nicht, wenn ein Jugendlicher vor mich hin gespuckt hat)
ich wusste, wie ich meine Körpersprache und meine Stimme einsetze
ich kannte einige deeskalierende verbale Techniken
ich musste keine Macht über die Jugendlichen haben und mich durchsetzen - Beharrlichkeit ist hier das Stichwort
ich wusste, wie ich im Ernstfall meine Kraft einsetze (wenn z.B. zwei Jugendliche mit Messern auf sich losgegangen sind) - das ist übrigens nicht in 3 Stunden Deeskalationstraining zu lernen, sondern ich habe einen Selbstverteidigungskurs gemacht und musste - nachdem ich den Kurs gemacht habe - spannenderweise die Techniken nie anwenden (!)
Deeskalation beginnt immer bei uns selbst
Bereite dich mental auf schwierige Situationen vor und mache dir bewusst, wie du selbst leicht zu provozieren bist:
✔ Wann hast du schon die Kontrolle verloren?
✔ Oder wann ist in deinem Leben ein Konflikt schon eskaliert, weil du nicht auf dein Bauchgefühl gehört hast?
Gehe die Deeskalationstechniken im Kopf durch und übe diese sozusagen auf dem Trockenen.
Selbsterkenntnis - Kennst du deine sensiblen Punkte?
Grundvoraussetzung, um erfolgreich deeskalieren zu können, ist es, selbst ruhig zu bleiben.
Doch wie mache ich das im Umgang mit aggressiven und aufgebrachten Menschen?
✔ Sei dir deiner eigenen sensiblen Punkte bewusst.
✔ An welcher Stelle bist du besonders verwundbar?
✔ Wie lässt du dich provozieren und verlierst vielleicht schneller die Kontrolle?
Umso besser du dich selbst kennst, um so mehr Kontrolle hast du in angespannten Situationen.
Früherkennung von schwierigen Situationen - Trainiere dein Bauchgefühl
Nachdem du dir deiner eigenen Schwachstellen bewusst geworden bist, ist es wichtig, früh zu bemerken, wenn eine Begegnung brenzlig wird.
Deshalb macht es Sinn, sich eine Situation aus der Vergangenheit vorzustellen, die eskalierte.
Schließe, wenn du möchtest, dabei deine Augen und spüre genau, wie sich dein Körper anfühlt, bevor diese Situation zu eskalieren drohte.
Merke dir diese Reaktion in deinem Körper, um in Zukunft eskalierende Situationen früh zu erkennen. Dein Unterbewusstsein bemerkt frühzeitig, wenn es ernst wird und „spricht über ihr Bauchgefühl“ zu dir.
Nimm deine Körperreaktionen ernst. Wenn du möchtest, kannst du diesem Gefühl auch einen Namen geben, um es leichter wieder zu erkennen.
Grundregeln der Deeskalation
So und nun genug mit der Vorbereitung.
Hier nun die 11 Grundzutaten der Deeskalation.
Wende diese je nach Situation an. Mit Fingerspitzengefühl und Kreativität wirst du die passenden Strategien für jede Situation selbst zusammenstellen können:
Ausstrahlung
Sei präsent und aufmerksam, um einen Überblick über die Situation zu behalten. Außerdem fühlt sich die andere Person dadurch auch wertgeschätzt.
Doch Wertschätzung fängt - mal wieder - bei dir selbst an: Sei gut zu dir selbst, auch dein Selbstwertgefühl trägt zur Ausstrahlung bei und das spürt dein Gegenüber.
Umso mehr du dich selbst magst, umso leichter wird es dir fallen, dieses Gefühl auch anderen zu vermitteln.
Erkenne das Gute im Anderen: Die andere Person, egal wie er/sie sich verhält, ist und bleibt ein Mensch.
Wenn dir das schwer fällt, dann hilft es sich Folgendes zu vergegenwärtigen: Wenn du den Lebensweg, des Anderen gegangen wären, würdest du dich vielleicht genauso verhalten.
Also denke positiv und ressourcenorientiert und steck die andere Person nicht zu schnell in eine Schublade.
Und zuletzt und ganz wichtig: Sei echt, vertrau auf deine natürlichen Deeskalationsfähigkeiten!
Achtsamkeit
Achtung! Niemand sieht die Wirklichkeit, wir alle nehmen selektiv wahr.
Treffen also zwei Menschen aufeinander, treffen zwei Wahrnehmungen aufeinander. Das klingt so nach Binsenweiheit - vergessen wir aber in eskalierenden Situation – sei dir also dessen bewusst. Erkenn die Grenzen deiner eigenen Wahrnehmung und versetze dich in dein Gegenüber.
Achte die andere Person und versuche, durch die Brille der anderen Person zu schauen.
Auch deine eigenen Emotionen haben Achtsamkeit verdient. Trenne deine Emotionen bewusst vom Verhalten: Du bist nicht deine Emotionen. Lasse dich nicht von Angst und Wut bestimmen.
Aktives Deeskalieren
Werde in kritischen Situationen selbst aktiv und erwarte das Unerwartete.
Sei entschlossen und treffe schnelle Entscheidungen. Höre dabei auf dein Bauchgefühl, verlasse dich auf deine Intuition.
Wenn dein Bauchgefühl zum Beispiel sagt, dass du Abstand halten solltest, dann tu es auch.
Es gibt Situationen, in denen Flucht die richtige Lösung ist. Sollte dies in deinem beruflichen Alltag nicht möglich sein, kann eine räumliche Trennung die Situation erstmal entschärfen.
Abstand
Halte sowohl emotional als auch körperlich Abstand:
Der Schutzbereich eines Menschen ist ungefähr 60 cm. Wenn du in diese Intimzone des Menschen kommst, kann das zur Verschärfung der Situation führen. Umso aggressiver dein Gegenüber ist, umso mehr Abstand solltest du halten. Übe dich in gelassener Wachsamkeit.
Wobei ich hier in Situationen der Eskalation in der Jugendhilfe auch andere Erfahrungen gemacht habe: wenn die Beziehung stimmte, konnte eine leichte Berührung auch deeskalierend wirken.
Achte auch auf emotionalen Abstand, um den Gesamtüberblick über die Situation nicht zu verlieren.
Nimm dabei nichts persönlich und übe dich in spontaner Entspannung. Wenn du merkst, dass jemand „deine Knöpfe drückt“, dann zähle von Zehn bis Null runter, bevor du im Affekt reagierst und die Situation weiter eskaliert. Wenn du mentale Unterstützung brauchst, gehe mit dir selbst in den Dialog, sei dein eigener Coach mit Sätzen wie: „Ich habe schon ganz andere Situationen gemeistert.“
Deutliche und direkte Ansprache
Viel wichtiger als das was du sagst, ist wie du es sagst. Achte darauf, dass deine Stimme sicher wirkt und sprich angemessenen laut. Vermittel mit deiner kraftvollen Stimme, dass du präsent bist.
Der Körper spricht
Dein Körper lügt nicht. Wenn du Aggressivität (Täter) oder Passivität (Opfer) ausstrahlst, fördert das die Eskalation.
Mache dich niemals klein und nimm eine selbstbewusste und aufrechte Position ein. Achte auf eine selbstsichere Körpersprache. Weder ein aggressives Auftreten noch eine geduckte Körperhaltung wirken deeskalierend.
Erfolge auf beiden Seiten zulassen
Mache Zugeständnisse, denn wer sich aggressiv verhält, fühlt sich oft ungerecht behandelt oder hat Angst das Gesicht zu verlieren. Hinter aggressivem Verhalten steckt ein Bedürfnis. Ein winziges Erfolgserlebnis für die Gegenseite kann entspannen, die Person bewahrt ihr Gesicht und du hast den Erfolg, denn du hast dabei erfolgreich deeskaliert.
Humor
Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Man kann scheinbar aussichtslose Situationen mit Humor entspannen.
Wer Humor zeigt wirkt selbstbewusst, ohne überheblich zu sein. Doch hier ist Fingerspitzengefühl angesagt, denn Humor ist Geschmackssache und passt nicht in jede Situation.
Wer mehr zum Thema "Humor und Deeskalation" erfahren möchte, kann dieses im Gespräch mit Nicole Kern tun.
▶ Das Gespräch findest du hier.
Auf Augenhöhe kommunizieren
Auch wenn es in dir kocht, versuche, die andere Person nicht zu dominieren und begegne ihr mit Wertschätzung.
Alles, was als respektlos wahrgenommen werden kann, dient nur der weiteren Eskalation.
Fragen stellen
So lange gesprochen wird, kann es nicht zur Gewalt kommen. Stelle offene Fragen. So signalisierst du Wertschätzung und Interesse.
Zum Beispiel: „Wie kann ich dir helfen?" oder "Was ist passiert?" Stelle authentische Fragen, die zu dir und der Situation passen.
Ablenkung
Bringe dein Gegenüber aus dem Konzept. Hier ist Kreativität angesagt. Verwirre dein Gegenüber. Wenn es angebracht ist, kannst du einfach weggehen. Oder mache etwas Absurdes, das nicht in die Situation passt.
Du kannst auch anfangen zu singen oder tanzen. Nichts sollte dir peinlich sein!
Das ist natürlich keine Methode, die du täglich anwenden solltest.
Deeskalation in der Jugendhilfe und sozialen Arbeit
Die erste längere Fortbildung, die ich absolviert habe, war die zur „Konfrontativen Pädagogin“. Ich weiß, dass diese auch verschrien ist und bei manchen Menschen negative Assoziationen hinterlässt.
Warum diese Pädagogik hilfreich sein kann und außerdem sehr wertschätzend ist, darüber habe ich mich mit Ingo Melzer unterhalten:
▶ Das Gespräch über Konfrontative Pädagogik.
Deeskalation in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen:
Neben Deeskalationsseminaren online und in Präsenz komme ich auch gerne online in euer Team.
Alleine oder online auch gerne mit Nicole Kern.
Unseren gemeinsamen Workshop „Umgang mit Provokationen“ haben wir bereits in mehreren Teams abgehalten und auch schon offene Workshops gemeinsam gestaltet.
Gemeinsam üben in Fortbildungen – auch als Online-Seminar möglich
Statt Streit, Ärger, Stress: Konflikte bewältigen
Training zur Deeskalation von Konflikten und Gewalt
Umgang mit Provokationen (online gemeinsam mit Nicole Kern)
Hi, ich bin Martina Kohrn - Konflikt- und Resilienztrainerin für Fach- und Führungskräfte aus Jugendhilfe, Kita und Pflege.
☑ Sei sicherer in Konflikt- und Krisensituationen.
☑ Gestalte ein starkes und humorvolles Miteinander im Team.
☑ Sichere Dir praxisnahes Handwerkszeug für mehr Ruhe und Gelassenheit.
Hier geht es zu:
☑ Coaching
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